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15. Dezember 2017

Gesamtkonzept Elbe - Eine Einigung, die Handeln wieder möglich macht

  • Das 2017 bestätigte Gesamtkonzept beendet den seit über einem Jahrzehnt andauernden Stillstand an der Elbe. Damit wird es möglich, behutsam Vorhaben umzusetzen, die sowohl wasserwirtschaftliche, verkehrliche als auch ökologische Wirkungen erzielen.

    Die Elbe ist mit einer Länge von 1.094 km der zwölftlängste Strom Europas. Seit über 1000 Jahren wird die Elbe als Schifffahrtsweg für Waren- und Personentransporte zwischen Chvaletice am Fuß des Riesengebirges und der Nordseemündung bei Cuxhaven intensiv genutzt. Der erste urkundliche Nachweis über Gütertransport lässt sich aus einer Schenkungsurkunde von Otto II. aus dem Jahr 983 ableiten, mit dem die Zölle zwischen dem heutigen Belgern und der Kirche zu Meißen abgetreten wurden. Binnnenschiffe waren bis zur Erfindung der Eisenbahn das einzige Transportmittel, mit dem große Gütermengen transportiert werden konnten. Deshalb fand auch die industrielle Entwicklung vor allem entlang der Wasserstraßen statt. Hier konnten Rohstoffe und Produkte trotz Einschränkungen des Verkehrsweges kostengünstig transportiert werden. Vor dem zweiten Weltkrieg zählte die Elbe zu den meistbefahrensten Wasserstraßen Deutschlands.

    Der Verkehr auf der Elbe war bis weit in das 19. Jahrhundert sehr stark von natürlichen Einflüssen abhängig und weitgehend unreguliert. Im Flussbett fanden sich viele Inseln und Sandbänke, die zudem häufig ihre Position änderten. An solchen Stellen war es oft erforderlich, die Schiffe entsprechend zu leichtern (Teilentladung), um den Tiefgang zu verringern. Daneben fanden sich weitere Hindernisse für die Schifffahrt, wie zum Beispiel die Verlagerung der Fahrrinne nach Hochwasser, Eisgang und Niedrigwasser. Nicht nur aus nautischen Gründen, sondern auch zur Sicherung des Flusslaufes in der Landschaft erfolgten vor allem nach Verabschiedung der Elbstromakte im Jahre 1821 umfangreiche Regulierungsmaßnahmen durch die Anliegerländer. Diese führten bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges zu einer fast vollständigen Regulierung des Flusslaufes auf deutschem Gebiet. So wurde der Flusslauf durch Uferbefestigungen und Längsbauwerke gesichert, Buhnen sorgten für eine Selbstregulierung des Flusses bei gleichzeitiger Verbesserung von Wasserständen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgten die Ausbaumaßnahmen als Niedrigwasseroptimierung. Allerdings führte der Kriegsausbruch zur Nichtfertigstellung der Regulierung im Bereich Dömitz-Hitzacker, so dass auf 13 km der Flussstrecke keine Buhnen vorhanden sind (sogenannte Reststrecke).

    Trotz der vorhandenen Einschränkungen, vor allem Niedrigwasserperioden auf der Elbe, wurden auf dem Fluss 1989 noch fast 5 Millionen Tonnen transportiert. Hintergrund dafür war nicht zuletzt eine gezielte Verlagerung von Gütern auf die Wasserstraße durch staatliche Lenkung. Nach der Wende und dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland kam es zu einem deutlichen Rückgang der Gütermengen. Neben dem Wegfall der zentralen Transportlenkung änderten sich Wirtschaftsströme, so dass ein Übergang von Massengütertransporten mit hoher Tonnage zu werthaltigeren Gütern wie z.B. Anlagen, containerisierten Waren und ähnlichen. Diese erzielten jedoch keine vergleichbaren Transportmengen. Allerdings führte die deutsche Einheit zu einer Gesamtbetrachtung des Schifffahrtsweges, so dass bis Anfang des 21. Jahrhunderts im Rahmen des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen an Wasserbauten, aber auch die Entschärfung von Engstellen, wie z.B. des Felsens Torgau, stattfanden. In Folge dessen verbesserten sich schrittweise die Abladebedingungen für die Schifffahrt.

    Mit dem dramatischen Hochwasserereignis 2002 fand ein Paradigmenwechsel statt. Durch schnelle Schuldzuweisung an den Wasserbau wurde ein Ausbau- und Unterhaltungsmoratorium für die Elbe erlassen. In Folge dessen kamen die Maßnahmen zur Beseitigung der Einschränkungen für die Schifffahrt, die bis 2001 stattfanden, zum Erliegen. Erst seit 2004/05 wurde Unterhaltung wieder durchgeführt, allerdings nur auf dem Niveau der Erhaltung des Zustandes bis 2001. Veränderte Abflussbedingungen wurden nicht berücksichtigt, moderne wasserbauliche (oft auch ökologisch verbesserte) Lösungen wurden kaum angewandt und Forderungen des Umwelt- und Naturschutzes massiv in den Vordergrund gebracht. Aufgrund des völlig unzureichenden Unterhaltungszustandes der Wasserstraße wirkten sich Niedrigwasserperioden immer dramatischer für die Schifffahrt aus. Folgerichtig sank die Zahl der beförderten Güter – für die Gegner der Schifffahrt ein willkommener Grund, die Elbe als Wasserstraße in Frage zu stellen.

    Andererseits bleibt unbestritten, dass die Elbe als Bundeswasserstraße – nicht zuletzt auch aus völkerrechtlichen Verpflichtungen heraus – zu erhalten ist. Als Bestandteil des TEN-T-Korridors „Orient-East-Med“ ist sie im Kernnetz europäischer Wasserstraßen enthalten und stellt für einige Produzenten den einzigen Zugang zu ihren Märkten dar. Für 30 % der im Rahmen einer Untersuchung befragten Unternehmen ist der Zugang zur Elbe von hoher oder sogar existentieller Bedeutung und sichert damit Arbeitsplätze im Elbstromgebiet

    Um den vorgenannten Widerspruch aufzulösen, wurde auf Initiative des Bundesumwelt- und Bundesverkehrsministeriums mit den Anliegerländern im Jahr 2010 ein Eckpunktepapier für die Erstellung eines Gesamtkonzept Elbe (GK Elbe) erarbeitet, in dem „die unterschiedlichen Ansprüche gleichberechtigt miteinander abgewogen, die schifffahrtliche Nutzung des Gewässers weiterhin ermöglicht und die Grundlagen des Naturhaushaltes weiterentwickelt und verbessert werden sollen. Die Beteiligung von Interessenverbänden erfolgte zunächst in Form eines Runden Tisches, ab Herbst 2015 durch ein Beratergremium.

    Schließlich wurde das GK Elbe am 17.01.2017 durch das Bund-Länder-Gremium verabschiedet. Dieses stellt einen wichtigen Meilenstein für die Beendigung des seit über einem Jahrzehnt andauernden Stillstandes an der Elbe dar. Es ist gelungen, in einem langen und überwiegend schwierigen Abstimmungsprozess eine Leitlinie mit definierten Themenfeldern zu formulieren. Auf dieser Basis wird es möglich, konkrete Vorhaben zu erarbeiten und umzusetzen, die sowohl wasserwirtschaftliche, verkehrliche als auch ökologische Wirkungen erzielen. Mit Annahme eines gemeinsamen Entschlussentwurfes der CDU- und SPD-Fraktion des deutschen Bundestages wurde im Juni 2017 ohne Gegenstimmen das GK Elbe zur Handlungsgrundlage für die Unterhaltung der Elbe angenommen.

    Insgesamt sind nur ca. 5% der deutschen Binnenelbe als Schwachstellen erkannt worden, die mit zum Teil kleinteiligen Lösungen ertüchtigt werden können. Als größere Handlungsfelder wurden zwei Bereiche identifiziert:

    1. Reststrecke zwischen Dömitz – Hitzacker:  hier ist die Selbstregulierung des Flusses durch fehlende Buhnen unterbrochen. Durch den Ausbauzustand ober- und unterhalb dieser Strecke kann eine Erosion nach Abschluss der Maßnahme ausgeschlossen werden, durch Anpassung der Planung gleichzeitig eine ökologische Aufwertung des Bereiches erzielt werden.

    2. Erosionsstrecke zwischen Elster- und Saalemündung: in diesem Bereich gräbt sich die Elbe immer tiefer ein, so dass negative Auswirkungen vor allem für die Ufer- und Auenbereiche durch das Sinken des Grundwasserspiegels entstehen. Durch einen Mix wasserbaulicher Maßnahmen im Strom, aber auch im Uferbereich soll die Erosion verringert oder sogar gestoppt werden.

    Bei der Erarbeitung der konkreten Lösungen muss gewährleistet werden, dass sich die einzelnen Themenfelder und damit Zielsetzungen nicht gegenseitig behindern. Ziel ist vielmehr eine hohe synergetische Wirkung bei der Umsetzung des GK Elbe.

    Wie alle Kompromisse ist auch dieser für beide Seiten mit Zugeständnissen verbunden, doch nur dadurch konnte die Zustimmung aller beteiligten Parteien erreicht werden. Aus schifffaAutohrtlicher Sicht positiv ist die durchgängige Betrachtung der Elbe von deutscher Grenze bis Geesthacht. Mit der Aktualisierung des Gleichwertigen Wasserstandes (GlW) wurde dem aktuellen Abflussverhalten der Elbe Rechnung getragen. Was im Prozess erkannt werden musste: vom GlW kann die Abladetiefe nicht unmittelbar abgeleitet werden – wichtig für Schifffahrt ist allein die nutzbare Fahrrinnentiefe. Die angestrebten Verbesserungen im Niedrigwasserbereich sollen an durchschnittlich 345 Tagen bis zu 20 cm mehr nutzbarer Wassertiefe bewirken, die Zuverlässigkeit der Wasserstraße wird erhöht. Aktuellere (digitale) Informationen werden in Zukunft eine bessere Nutzung der Fahrrinne durch die Schifffahrt ermöglichen.

    Bleibt die Frage nach der Umsetzung des GK Elbe, bei der sich erweisen wird, wie tragfähig der Konsens tatsächlich ist. Die Stellungnahmen einzelner Verbände in der Sommerpause lassen auch zukünftig eine überaus kritische Auseinandersetzung zu einzelnen Vorhaben erwarten. Zu hoffen bleibt, dass es gelingt, die bekannten Schwachstellen der Elbe zu beseitigen - mit Vorteilen für Umwelt und vor allem für Schifffahrt und letztendlich für die Wirtschaftskraft im Elbraum.

    Autor: Stefan Kunze

    Quelle: ihk.wirtschaft dresden 11/2017